Wenn dich dieses Thema bewegt oder du dich selbst an einem Wendepunkt befindest:
Wenn Frauen nach einer Trennung neu beginnen, geht es um weit mehr als das Private.
Gerade gut ausgebildete, selbstständige oder in Führungspositionen tätige Frauen stehen in solchen Momenten unter einem besonderen Druck: Nach außen müssen sie stark und leistungsfähig bleiben, während sie innerlich einen tiefen Umbruch erleben.
Um diesem Thema mehr Sichtbarkeit zu geben, habe ich der Bundespolitikerin „Dorothee Bär“ sechs Fragen gestellt. Es geht um die Frage, wie Politik, Gesellschaft und Vorbilder Frauen unterstützen können, ihren Weg klar und selbstbewusst weiterzugehen – auch nach einer Trennung.
Karin Wohlleben:
Sie erleben in ihrer politischen Arbeit täglich, wie viel Verantwortung Frauen schultern – beruflich wie privat. Viele Frauen stehen nach einer Trennung vor der Herausforderung, innerlich mit dem Umbruch umzugehen,
während sie im Beruf weiterhin stark funktionieren müssen. Was denken Sie:
– Was brauchen Frauen in solchen Phasen am dringendsten?
– von der Politik, von der Gesellschaft, vielleicht auch von sich selbst?
– Und wie nehmen Sie diesen Spagat wahr?
Dorothee Bär:
Trennungen sind immer etwas schlimmes.
Doch jede Trennung muss individuell betrachtet werden. Eine pauschale Einschätzung vorzunehmen ist schwierig.
Sobald Kinder betroffen sind, müssen ganz andere Dinge beachtet werden. Grundsätzlich ist für betroffene Frauen aber sicherlich eines ganz entscheidend: Unterstützung. Das Gefühl, nicht allein zu sein.
Diese Unterstützung kann von der Familie und von Freunden kommen. Aber natürlich gibt es auch unterstützende Maßnahmen, die seitens der Politik auf den Weg gebracht werden. Sei es durch öffentliche Anlaufstellen, Beratungsangebote oder auch finanzielle Unterstützung. In einer solch schwierigen Situation hilft es meist, wenn man sich darüber austauschen kann, um die Trennung zu verarbeiten.
Karin Wohlleben:
Sie setzen sich für mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen ein
– in der Wissenschaft, Technik und Politik.
– Was hilft ihrer Erfahrung nach gut ausgebildeten, selbstständigen Frauen,
nach einem privaten Einschnitt wieder mit Klarheit und Selbstvertrauen in ihr berufliches Wirken zurückzufinden?
Dorothee Bär:
Sicherlich spielt die Zeit eine entscheidende Rolle, um eine Trennung zu verarbeiten.
Frauen in verantwortungsvollen Positionen haben aber aus meiner Erfahrung heraus meist eine hohe intrinsische Motivation, was ihren Beruf angeht. Oftmals hilft ihnen der Beruf, sich nicht zu sehr von einer Trennung beeinflussen zu lassen, weil sie in diesem komplett aufgehen können.
Das ist aber auch bei jedem Menschen verschieden und es gibt ganz unterschiedliche Charaktere. Unabhängig davon ist es meines Erachtens von entscheidender Bedeutung, sich mit anderen über das Erlebte auszutauschen.
Nur auf diese Weise lässt sich eine Trennung wirklich verarbeiten und man erhält genug Kraft, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Karin Wohlleben:
In meiner Arbeit begleite ich viele Frauen, die äußerlich alles schaffen, aber innerlich kämpfen – oft unbeobachtet.
– Wie könnte man diesen Frauen mehr Sichtbarkeit, mehr Anerkennung und mehr echten Rückhalt geben, gerade in dieser Übergangszeit, ohne sich zu rechtfertigen?
Dorothee Bär:
Wichtig ist, dass wir über solche Themen sprechen.
Indem Betroffene darüber reden und sich gleichgesinnte Verbündete suchen, sorgen wir dafür,
dass Trennungen nicht mehr als Tabuthema betrachtet werden. Die Stigmatisierung müssen wir überwinden.
Als Gesellschaft müssen wir offen sein, damit Betroffene den Mut haben, sich zu Wort zu melden.
Nur auf diese Weise können wir betroffenen Frauen mehr Sichtbarkeit, mehr Anerkennung und größeren Rückhalt geben.
Karin Wohlleben:
Sie wünschen sich mehr Frauen in der Politik.
– Denken Sie, dass persönliche Stabilität – auch nach einer Trennung – eine Voraussetzung dafür ist, Verantwortung in der Öffentlichkeit zu übernehmen?
– Und wenn ja: Was können wir tun, um Frauen auf diesem Weg besser zu unterstützen?
Dorothee Bär:
Unabhängig von der privaten Situation einer Frau ist persönliche Stabilität sicherlich immer ein relevanter Faktor, wenn man verantwortungsvolle Positionen übernehmen möchte. Meines Erachtens ist es darüber hinaus aber auch wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Uns füreinander freuen, wenn eine Frau Verantwortung übernimmt. Das gilt nicht nur für den Politikbetrieb, sondern auch für alle anderen Branchen. Neid und Missgunst werfen uns zurück. Jede Frau in einer Führungsposition ist etwas Positives. Das sollten wir immer honorieren und unterstützen und uns auch als Frauen solidarisieren.
Wenn dich dieses Thema bewegt oder du dich selbst an einem Wendepunkt befindest:
Karin Wohlleben:
Wenn Sie an Ihre eigenen Wendepunkte im Leben denken:
– Was hat Ihnen geholfen, in schwierigen Momenten neu anzufangen
– und wie ist es Ihnen gelungen, dabei Sie selbst zu bleiben?
Dorothee Bär:
Schwierige Momente im Leben kennt jede. Ich empfehle jeder, sich selbst immer treu zu bleiben und sich nicht zu verstellen. Jede sollte ihren eigenen Weg gehen und die eigenen Ziele verfolgen. Auf diesem Weg sollte man nicht nach links und rechts schauen, sondern das machen, was einen selbst glücklich macht. Ich denke, wenn man das beherzigt, hat man schon viel gewonnen.
Karin Wohlleben:
Welche Botschaft möchten Sie Frauen mitgeben, die einen Umbruch erlebt haben und dennoch in der Verantwortung stehen, führen und mitgestalten wollen – sei es im Beruf, in der Selbstständigkeit oder im politischen Raum?
Dorothee Bär:
Ich freue mich über jede Frau, die in einer verantwortungsvollen Position ist. Es sind nämlich immer noch viel zu wenige. Auch nach einem Umbruch, nach einer schwierigen Phase oder sonstigen schwierigen Momenten im Leben ist eines ganz wichtig:
Den inneren Kompass behalten und sich nicht vom Gerede anderer verunsichern lassen.
Trennung, Neubeginn und weibliche Sichtbarkeit gehören zusammen. Wenn wir wollen, dass Frauen nicht nur privat, sondern auch beruflich und politisch stark bleiben, müssen wir diese Lebensphasen ins Licht rücken. Denn genau dort entscheidet sich, ob Frauen ihre Stimme behalten – oder ob sie uns als Gesellschaft verloren geht.
Mein Dank
„Ein herzliches Dankeschön an Frau Bär für ihre Offenheit und die inspirierenden Antworten. Sie zeigen, wie wichtig es ist, Frauen gerade in Phasen des Umbruchs zu unterstützen und ihre Stimmen in Politik und Gesellschaft sichtbar zu machen. Mit ihren Antworten macht sie Mut, Brüche nicht als Schwäche zu sehen, sondern als Chance für neue Klarheit und Stärke.“